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Themenblatt - Unverdient und Spiritualität

Obwohl die christliche Froh-Botschaft gerade das große "Unverdient" verkündigt ("allein aus Gnade!") und damit ideal zu dieser Logik passen würde, begegne ich spirituellen Positionen, die sich doch nicht wirklich vom Leistungsdenken lösen: Da ist es offenbar anstrengend - und entsprechend verdienstvoll- , spirituell zu sein oder zu werden – deshalb gibt es da nichts zu verschenken und kein unverdient. Nur wer (je härter desto besser) an sich arbeitet (!) kann anfangen, die neue Lebensqualität zu genießen. Und selbst dieses ist noch Arbeit: „Wir haben die spirituelle Pflicht, glücklich zu sein“ hörte ich sogar mal von einer ZEGG- Insassin. Diese spirituelle Position zeigt sich merkwürdig wenig irritiert von der Tatsache, dass (fast?) alles, was das Leben „in der Fülle" ausmacht, gesellschaftliche Produkte, also Leistungen der gesamten Menschheit sind und verschwindend selten vom Himmel kommt.

comment: caro uli, das ist reine interpretationssache. denn wirklich alle ausgangsstoffe zur herstellung gesellschaftlicher produkte kommen aus der natur und somit ergo "vom himmel" moca

ursprünglich vielleicht- aber wer ist für den himmelweiten Unterschied zwischen der "Ökonomie" der Sammler und Jäger und der heutigen postindustriellen Weltwirtschaft verantwortlich? ca 1000 Generationen von Erfindern, Arbeitern, Konstrukteuren, Dienstleistern, Betreuerinnen, Erzieherinnnen, Künstlerinnen usw. Wo kommt heute noch reine Natur als Ausgangsstoff vor? Uli

Die Kräfte des Kosmos reichen offensichtlich nur zum Umverteilen- und auch das bevorzugt an die "eigenen Leute", also die, die daran glauben. Bei der Produktion herrschen irdisch- natürliche und ganz und gar unspirituelle Verhältnisse. Damit könnte der spirituelle Standpunkt real als ein typisches Paradigma der Knappheit wirken, genau wie die Geldlogik- nämlich als Kalkulation: spirituelle Arbeit zahlt sich aus als Begünstigung, als vorteilhaftes Geschäft. Sie ist nicht nur verdienstvoll- sie wird auch handfest belohnt.

Das Neue von "Unverdient" wäre das völlige Aufgeben des Leistungsdenkens: Wenn die Voraussetzungen für jegliches Kalkulieren verschwinden, erübrigte sich auch diese berechnende Spiritualität. Der Kosmos muß nichts mehr geben und verschenken, was hier auf Erden frei zu haben ist.

comment: nana, die erde ist ja wohl teil des kosmos, oder wie kann ich das verstehen? moca

Das ist mein Problem mit dem Begriff "Spiritualität". Hat das nicht was mit "JENSEITS" (also auch der Erde) zu tun? Uli

Es wäre höchst sinnlos, beim Kosmos Linux zu bestellen, da man es einfach hier auf Erden aus dem Internet holen kann- in Hülle und Fülle. Auch die anderen (noch!) freien Güter, wie Luft zum Atmen, werden nicht beim Kosmos bestellt.

comment: aber nichts hindert mich daran mich beim kosmos immer wieder aufs neue dafür zu bedanken. sowohl für die luft zum atmen, als auch für so tolle menschen, die freie software programmieren - smile. moca

da stimme ich dir voll zu! Das Gefühl von Dankbarkeit, Lebensglück, Beschenkt-sein usw. kenne ich gut- ich denke dabei aber eher an die tollen Menschen, die ich bisher kennenlernen durfte. Uli

Kann die spirituelle Position ihr irdisches Glücksgefühl für die reale Fülle gesellschaftlichen Reichtums auch direkt auf den konkreten Produzenten richten, den Mitmenschen, der einfach Spass an der Sache hatte und also keine weitere Belohnung braucht? Dankbarkeit IHM gegenüber hätte keinen Grund in Form irgendeiner Schuld oder wäre auch mit keinerlei (auch nicht spiritueller) Gegenleistung behaftet. Der Empfänger dieser Gaben müßte sich nicht besonders belohnt vorkommen. Es wäre für ALLE genug da: eben wirklich Unverdient. Da gibt es dann gar nicht mehr die Schuld, die gnädig erlassen werden könnte, sondern die Produzenten hätten ihren "Lohn" bereits pauschal in der Tasche, nämlich in Form der Lebensfreude, die sie beim Herstellen spürten. Allerdings entfiele damit das BESONDERE, das Herausgehobene beim Empfänger. ER wäre genau so gut wie jeder andere und aus dem Privileg einer besonderen materiellen Zuwendung wäre keine Selbstwertsteigerung mehr zu ziehen- denn dieses Privileg gäbe es nicht mehr.

Deshalb dürften die Spirituellen, die sich wegen ihrer spirituellen Leistungen besser vorkommen als ihre unerleuchteten Mitmenschen, diesen Zustand eigentlich nicht wollen. Aber ich würde mich mit ihnen auch nicht streiten; denn ihre Position ist ja eine (aus meiner Sicht) vorläufige Antwort auf eine reale, drängende Frage- also ein erfreuliches Zeichen eines gemeinsamen Problembewußtseins. Sie ist auch ein Protest gegen unser System, indem sie dort, wo grundsätzlich Unerbittlichkeit herrscht, Bitten zu formulieren wagt.

Unsere Vision unverdient zielt gerade auf die Überwindung der Berechnung, des Tausches, der nachträglichen Umverteilung- also des Denkens in Leistung und Gegenleistung. Gesamtgesellschaftlich kann diese Vision wohl erst dort beginnen, wo Knappheit aufhört. Aber heute schon zeigen uns spirituelle Menschen mit ihrer Dankbarkeit und (unverdienten) Lebensfreude, dass unverdient leben möglich ist und wie es sich anfühlt.

Insofern können sie auch diejenigen von uns ermutigen und unterstützen, die sich als wenig oder nicht spirituell bezeichnen.

Uli


Danke für deine Einwände, liebe moca! Ich habe den Text differenzierter formuliert!

Uli, 25.8.06


well, well. da hat sich ja nix getan. aber mir kam was passendes zum thema spiritualität unter. genauer geschrieben habe ich eine auffassung über spiritualität gelesen, die gut ausdrückt, was ich darunter verstehe und gleichzeitig klarstellt, dass spiritualität allerdings auch häufig so aufgefasst wird, wie uli das im text oben tut woraus dann heftige kritik resultiert. ich zitiere hier mal einige stellen aus "das herz gesellschaftlicher veränderung" von marshall b. rosenberg (im original gross/kleinschreibung).

  • "was ich mit spiritueller haltung meine, ist, dass wir - augenblick für augenblick - verbunden bleiben mit dem leben in uns und dem leben in anderen. wir können unsere spiritualität entdecken, indem wir fragen: worin besteht eine gute lebensqualität? worum geht es uns eigentlich? diese qualität von bewusstsein wird uns zu einer lebensbereichernden spiritualität führen. diese widerum hilft uns, kontakt zu uns selbst und zu anderen auf einer herz-zu-herz-ebene aufzubauen."

  • "aber seien wir vorsichtig! spiritualität kann auch rückschrittlich sein, wenn wir durch sie die menschen dazu bringen, sich ruhig, duldsam und liebevoll zu verhalten, so dass sie gefährliche strukturen tolerieren."

  • "Die spirituelle haltung, nach der ich zu leben versuche, basiert auf einer sehr einfachen spiritualität. kirchen und synagogen haben mich immer gelangweilt. ich brauche also eine spiritualität, die für mich lebendig ist und die nicht viele worte braucht. (...) was ist nun also eine zusammenfassung der spiritualität? alle hauptreligionen sagen folgendes: tue nichts, was du nicht aus freude heraus tust.
    meine voraussage ist: wenn wir diesen satz - tue nichts, was du nicht aus freude heraus tust - in uns haben, dann werden wir erkennen, dass das freudvollste spiel in der welt daraus besteht, das leben wunderbar zu machen. wie machen wir nun das leben wunderbar? tue nichts, was du nicht aus freude heraus tust. warte, bis es freude macht. und es wird freude machen, genau ab dem moment, wo unsere volle aufmerksamkeit auf eine lebensbereichernde vision ausgerichtet ist. dann benutze deine macht und stelle sie in den dienst der menschlichen und planetaren bedürfnisse. benutze deine macht, um das leben zu bereichern, indem du auf bedürfnisse eingehst."

  • "so wie ich spiritualität verstehe, wird sich die spirituelle entwicklung, die wir brauchen, auf einige wenige fragen konzentrieren: was ist unsere natur als menschliches wesen? was ist unsere aufgabe? worin besteht ein gutes leben?
    die spiritualität der ich ausgesetzt war - die kultur, in der ich aufgewachsen bin - sah den sinn eines guten lebens darin, schlechte menschen zu bestrafen. gute kräfte bestrafen die bösen kräfte. ich würde behaupten, dass diese art von spiritualität weiterhin die vorherrschende spiritualität ist. (...) aber ich möchte meiner spiritualität eine andere bedeutung geben."

moca


Liebe Moca, wie schön, sich mit jemand streiten zu können, den man so sehr schätzt (wie ich dich): Meine Bemerkungen zur Spiritualität betreffen NICHT das Zerrbild, das im letzten Zitat gezeichnet wird. DIE Art von "Spiritualität" ist für mich als (ehemaligen(?)) Theologen sowieso mega- out. Ich habe auch schon Probleme mit der besseren, intelligenteren, menschenfreundlicheren Spiritualität: In deinen Zitaten finde ich einfach keine konkrete Botschaft. Fast jeder Satz ist für mich zu allgemein - oder besser: ich verstehe nicht, worin die Aussage besteht: tue alles aus Freude heraus! Prima. Dann wird das Leben wunderbar- ja selbstverständlich. Genau wie: sei glücklich- dann bist du glücklich! Na klar!

Die Ausführung in den letzten beiden Sätzen bleibt mir vollständig unklar. Was ist zB. eine lebensbereichernde Vision? Gibt es irgend jemand, der für Lebensverarmung ist? WELCHE menschlichen und planetarischen Bedürfnisse sind gemeint und wie kann man sich in deren DIENST stellen? Welche Macht ist gemeint? Wie bereichere ich das Leben (was ja jeder möchte) und auf WELCHE Bedürfnisse von WEM soll ich WIE eingehen ??????

Ganz unwirsch werde ich auch, wenn ich über "unsere Natur als menschliches Wesen" nachdenken soll. Da lobe ich mir doch den Materialisten Marx: "Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu PRODUZIEREN (ich würde ergänzen: zu reflektieren usw) ...Wie die Individuen ihr Leben äußern, so sind sie..." So sehe ich das auch: nicht die philosophische Definition entscheidet, was Menschen sind (ihr "Wesen"), sondern die konkrete Geschichte der Menschheit: zu was sie sich selber gemacht hat...

Fragen über Fragen... mal sehen, ob ich über die Links mehr herausbekomme... Uli

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Page last modified on 29.08.2006 10:57 Uhr