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Themenblatt - Unverdient und Wettbewerb

In der seit 1620 herrschenden Geldlogik findet sich jeder einzelne isoliert vor, da der Zugang zu den gemeinsam hergestellten Lebensgrundlagen von jedem einzelnen erst verdient werden muß. Das ist keine Ideologie oder nur ein ethisches oder ästhetisches Problem, sondern zunächst einmal unerbittliche Alltagserfahrung. Sicherheit gibt es vor allem durch das, was man selber hat. In diesem System hilft es dem einzelnen gar nichts, wenn der gesamtgesellschaftliche Reichtum wächst – es kommt ganz darauf an, was man als jeweils einzelner davon abbekommt, wieviel man sich davon kaufen kann. Das System hat überhaupt keine Probleme damit, selbst bei größtem Reichtum schlimmstes Elend zu ertragen.

Sicherheit, Reichtum, Freiheit sind gegen die anderen definiert: Je ausgedehnter mein Verfügungsbereich gegenüber den anderen ist, umso mehr habe ich davon. Diese Grundsituation zwingt uns zu konkurrenzhaftem Verhalten. Das ist kein fröhlicher Wettbewerb um einen Lorbeerkranz, bei dem jeder Teilnehmer sein Können zeigt, sondern ein unaufhörlicher, jedem aufgezwungener Verteilungskampf um den eigenen Anteil. Da niemand unverdient dazu gehört, nur zugelassen wird aufgrund erbrachter Leistung an einem „Arbeitsplatz“ oder über eine Ware, die er verkaufen kann , herrschen allgemeine Anstrengung, Argwohn, Neid und Vorsicht gegeneinander.

Nun sind wir an diesen Normal- Zustand schon so gewöhnt, dass uns dessen Absurdität gar nicht mehr auffällt: Leben in Gesellschaft, zusammen mit anderen, Kooperation, soziale Kompetenz, ist das Erfolgsrezept der Gattung Mensch. Von der Natur kaum mit Waffen ausgestattet hätten wir als Einzelgänger niemals überleben und uns schon gar nicht so weit entwickeln können, wenn wir nicht einen anderen Vorteil, unsere Besonderheit ausgebildet hätten, nämlich den ganz starken Bezug auf die anderen, die Kraft durch die Gruppe, die Gesellschaft. Die gesellschaftlichen Strukturen wurden im Laufe der Menschheitsgeschichte immer komplexer, raffinierter, (auch brutaler und härter wie z. B. die Sklaverei) aber eins war immer klar: Leben in Gesellschaft bildete die Grundlage menschlichen Lebens. „Der Gesellschaft“ - also dieser unglaublich komplexen arbeitsteiligen Struktur (weltweit) verdanken wir all unseren Reichtum.

Und dafür- paradoxerweise -lieben wir diese Gesellschaft - die anderen - nicht, wir nehmen sie nicht einmal wohlwollend zu Kenntnis. Sie kommt uns eher lästig, überflüssig, repressiv vor: bevor wir unsere Kinder an die Gesellschaft „abgeben", müssen wir ihnen erst ihre liebenswerten Eigenschaften abgewöhnen, das Spielen, die Unbefangenheit, die Lebensfreude. Sind gezwungen, sie auf Schulen zu schicken, in denen ihnen der " Ernst des Lebens" beigebracht wird, in der sie auf Leistung, auf reibungsloses Funktionieren, auf Pflichten hin trainiert werden, damit sie später etwas leisten, ihren Mann stehen, ein nützliches Glied der Gesellschaft werden usw. "Draußen herrscht Krieg" nannte das einmal ein Banker auf einer Kirchentagsdiskussion und kritisierte, dass die Kinder in der Schule nicht genügend auf diesen Kampf vorbereitet würden.

Wie kommt diese Paradoxie zustande, dass wir unsere eigene wunderschöne Lebensgrundlage als bedrohlich fremd erleben? Es ist nicht die Gesellschaftlichkeit des Menschen als solche- die ist nachweislich das Beste für ihn-, sondern die besondere Struktur dieser Gesellschaft, die seit 400 Jahren bestimmend ist, die Geldlogik. Sie trennt mich ja solange und soweit von den gesellschaftlichen Reichtümern, wie ich die entsprechende Gegenleistung nicht erbracht, sie mir nicht verdient habe. Darum blicke ich eher sorgenvoll in meine Portmonaie: reicht mein Geld, kann ich mir das leisten ? Es gibt zwar alles, aber erstmal nicht für mich.

Unverdient möchte die Logik umdrehen: indem ich gesellschaftlich auf der Welt bin, gehört alles auch mir. Was nicht (mehr) knapp ist, ohne Bedingung, ohne Geld. Was (noch) knapp ist, muß geteilt werden- dazu könnte vorläufig das Geld noch dienen. Aber nur so herum kann mein Gemüt wieder freundlich werden, wenn ich an die anderen, die Gesellschaft denke.

Uli

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Page last modified on 26.03.2006 21:26 Uhr