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Projekte -
Erste Schritte aus der Geldlogik

Hier finden sich Hinweise auf bestehende oder geplante Initiativen und Projekte,

die in Richtung unverdient unterwegs sind.
z.B. Tauschringe, bedingungsloses Grundeinkommen




  • "Abschaffung des Geldes" ein Text von Eske Bockelmann, der jüngst in Streifzüge erschien ist hier nachzulesen.

und wer ist eske bockelmann überhaupt? jahrgang 1957, hat klassische philosophie und germanistik studiert und lehrt derzeit an der technischen universität chemnitz; lese ich (u.a.) im klappentext seines 2004 erschienenen 500seitendicken buches "im takt des geldes". zum buch sind etliche rezensionen im www zu finden. freundliche (siehe z.b.) und weniger freundliche (siehe z.b.). ich selbst bin bei der lektüre im zweiten anlauf auf seite 183 gescheitert...vielleicht versuch ich es demnächst nochmal.

moca


Geld abschaffen?

Ich habe früher selber oft ein Gedankenexperiment vorgeschlagen:

Man stelle sich vor, was passieren würde, wenn der gesamte Geldwert auf einen Schlag verschwinden würde.

Meine Antwort war immer: gar nichts, solange niemand es bemerkt. Ob der Wert irgendeine Realität hat oder rein simuliert wird, spielt für sein Funktionieren überhaupt keine Rolle, solange die Menschen dran glauben und die Wertlogik unbeirrt bedienen. Diese Position könnte so klingen wie die nominalistische Theorie des Geldes. Diese behauptet, dass Geld nichts anderes sei, als eine virtuelle Verdoppelung oder Widerspiegelung der realen Warenwelt, und legt damit das Missverständnis nahe, dass Geld eigentlich nur Einbildung, eine alberne Konvention sei, die man leicht abschaffen könne.

Aber das stimmt nicht!

Auch wenn das Geld selber verschwinden würde, verschwände damit ja nicht das Koordinatensystem "Wert", auf das alles bezogen wird - im Gegenteil, je unanschaulicher die Form des Geldes, umso wichtiger die absolute Unerschütterlichkeit des zu Grunde liegenden Bezugssystems. (Heute ist es bereits so betonmäßig in uns selber verankert, dass wir tatsächlich kaum noch Geld benötigen, um die Logik zu bedienen.) Und diese Existenz eines allgemeinen und 100%- verläßlichen Bezugssystems ist absolut notwendige Begleiterscheinung oder Voraussetzung, wenn eine Gesellschaft ihr Wirtschaftssystem so strukturiert wie bei uns mit der Marktwirtschaft.

Der ökonomische Ausgangspunkt in diesem System sind ja die einzelnen isolierten Wirtschaftssubjekte, die auf eigene Rechnung und mit " Bordmitteln" arbeiten. Sie benötigen idealerweise nur die vollständige Information über die Marktpreise, um sämtliche ökonomische Entscheidungen angemessen fällen zu können und die entsprechenden Tausch- Aktionen für ihr proprietäres Geschäft („Kauf“/“Verkauf“).

Dieses dezentrale Chaos muss von einem Gerüst zusammengehalten werden, das den sinnvollen Bezug aller Leute aufeinander bzw. aller Waren und warenförmigen Dienstleistungen ermöglicht - also eben: diese Gesellschaft konstituiert. In dem Maße, in dem die Geldlogik für die Lebenserhaltung der Menschen immer bestimmender wird, weil für die einzelnen die lebensnotwendigen Dinge immer mehr und ausschließlicher über Tausch zu bekommen sind, muss ein solches verlässliches Bezugssystem, das die unendlich vielfältige und komplizierte Gesamtheit der Tauschvorgänge regelt, etabliert sein. Diese Regelung erfolgt jetzt eben nicht mehr bzw. immer weniger über personale Herrschaft und unmittelbaren Zwang und auch nicht über irgendwelche INHALTLICHE gesellschaftliche Vorgaben, explizite Regeln oder moralische Imperative, sondern über den „fairen Tausch“, also das Äquivalenzprinzip; denn bei formal freien Wirtschaftssubjekten, die (zwar prinzipiell, aber) nicht konkret zum Tauschen gezwungen sind, muss dieser Tausch akzeptabel sein, also unter der Gültigkeit des Äquivalenzprinzips stehen. Aus der verallgemeinerten und unendlich komplexen Tauscherei entsteht eben dieses Kontinuum, was es eigentlich nicht gibt und doch gibt: eine historisch neue Realitätsform ist entstanden!

Seine Existenz entspricht etwa der Existenz eines Zahlenstrahls, den es als Strahl ja auch nicht gibt, sondern der aus leeren Punkten, also aus Punkten im Koordinatensystem und der Beziehung dieser Punkte aufeinander besteht. Selbst die Vorstellung des Koordinatensystems als einer Konstruktion NEBEN den „Punkten“ ist eine Abstraktion: Eigentlich gibt es nur ein unendlich komplexes aufeinander bezogen sein von (Wert-)Daten.

Beim Koordinatensystems des Werts entsteht Anschaulichkeit erst durch den PREIS.

(Wenn man diesen- also das Geld- wegnehmen würde, würde nur die Anschaulichkeit- aber nicht die Logik dahinter – also auch nicht die Rechnerei - verschwinden!) Der Preis entsteht, wenn alle diese Warenwerte, die eigentlich nur jeweils aufeinander bezogen sind, auf eine neue Werteskala, die Geldeinheit, projiziert werden. Es ist also wirklich so kompliziert, dass hier einerseits nichts „besteht“, aber auf der andern Seite die höchste Wirklichkeit wirkt (ohne die wir konkret verhungern würden), weil in der Marktwirtschaft der lebensnotwendige gesellschaftliche Produktions- und Austauschprozess eben über diese Geld-/Wert-Logik organisiert wird (- und werden MUSS!) . Solange man diese Privat-Logik der gegenseitigen Tauscherei als Gesellschaftsstruktur beibehalten will, läßt sich Geld niemals abschaffen (höchstens durch schlechtere Surrogate ersetzen).

Die einzige Logik, die (mindestens) die gleiche Freiheit wie die Geldlogik bietet, aber eben die Nachteile dieser Logik NICHT mehr hat, ist der Verzicht auf die Geldlogik, der erst dann möglich ist, wenn wir aufhören zu tauschen. Wenn wir das, was bisher „Arbeit“ war, als Liebhaberei betreiben, also kein Geld mehr dafür nehmen (weil es uns ja Freude macht und KEIN ArbeitsLEID? mehr bedeutet) und das Ergebnis unserer Liebhabereien anderen einfach frei zur Verfügung stellen, dann verliert „Tauschen“ seinen Sinn - ich kann mir ja alles nehmen, was ich möchte - OHNE Gegenleistung. Das, was früher in der „Arbeit“ meine Gegenleistung war, ist ja jetzt meine Liebhaberei, mein „Hobby“, also meine Leben. Das will und kann ich dann gar nicht mehr bewerten, berechnen, in ein abstraktes Koordinatensystem einordnen. Dann (und nur dann) wird Geld mitsamt dem Wert- Koordinatensystem überflüssig

Nun kann man sich diese Logik ganz gut vorstellen, wenn ALLE sie verstanden haben und praktizieren. Dann kann ich MEINE Liebhaberei tun, ohne zu verhungern, weil ich ja von dem Ergebnis der Liebhabereien aller anderen nehmen kann- also keine Geld mehr brauche, um an das zu kommen, was ich konkret zum Leben benötige. (Die berühmte Brötchen- Frage -“Wie komme ich an mein täglich Brot- während ich für mein Hobby tätig bin- zB. Freie Software schreibe?“ - wäre damit beantwortet.)

Die schwierige Frage ist dagegen, wie kommt man dahin, wo fängt man an? Wer mit der neuen Logik beginnt, wäre ja nach der alten ein Dummkopf: er würde Leistung ohne Gegenleistung erbringen, würde der Gesellschaft seine Fähigkeiten zur Verfügung stellen, ohne etwas dafür zurück zu bekommen- würde sich also exakt wie das Gegenteil eines „guten Geschäftsmannes“ oder „homo oeconomicus“ verhalten. Und das wäre für ihn dann nicht (nur) ein psychisches, ästhetisches oder moralisches Problem, sondern eine ganz und gar handfestes des Überlebens...

''(Umso interessanter die Frage, warum zB. die Helden der Freien Software sich derart geld-unlogisch verhalten. Es muß also ganz starke menschliche Impulse geben, die jemanden belohnen, obwohl er von der Geldlogik bestraft wird. Fragen wir mal die FS Leute: „it was a good time“, hat Spaß gemacht, tolles Gruppenerlebnis, Gemeinschaftsprojekt... und immer OHNE REUE- also es folgt nicht der Katzenjammer in Form des obligatorischen Besinnungsaufsatzes nach dem schönen Schulausflug - das gemeinsam geschaffene Projekt wird nicht von jemand zur privaten Bereicherung und Machterweiterung mißbraucht usw. Es wird nicht nachträglich die gemeinsame Leistung auseinander dividiert, damit die Gewinn- Anteile (oder Noten in der Schule) für jeden einzelnen gegen jeden anderen festgelegt werden können... Es folgt nicht die feindliche Übernahme durch eine fremde Instanz... Interessant hier genauer zu schauen- WAS ist ES??? (Diese höhere Motivation, das bessere Gefühl!)''

Was kann man tun, um Schritte in die richtige Richtung zu gehen?

1) Was nichts bringt, sind Manipulationen am Geldsystem. Dabei könnte allerhöchstens eine Ahnung davon herauskommen, dass das „konkrete“ Geld, also die konkrete Darstellung der Geldlogik, nicht wichtig und beliebig austauschbar ist. Aber das Koordinatensystem des Wertes (das Prinzip von Leistung und Gegegenleistung, die Isolierung der Menschen voneinander- also die Ungesellschaftlichkeit der Logik- usw) verliert dabei keineswegs an existentieller Bedeutung und unerbittlicher Geltung.

(Frage: Gibt es Unterschiede bei der Bedienung der Geldlogik? Ist zB. ein Zeitverrechnungssystem (Tauschringe, Stundenzettel) oder sogar ein nur intuitives Gib+Nimm- Programm milder oder spröder o.ä.?)

2) Die Einsicht, dass man dem ehernen Bezugsrahmen so leicht nicht entkommt, könnte zu einer Doppelstrategie führen: Auf der einen Seite bedient man notgedrungen und ohne Illusionen die alte Logik (Brötchenfrage) und Gleichzeitig bewegt man sich bereits in der anderen...

3) Dann wäre die Strategie, Strukturen zu schaffen, die die Dominanz der alten Logik relativieren, die Abhängigkeit verkleinern, wenigstens ein Anfang...

Also: jede materielle Ablösung von der herrschenden Logik wäre ein Gewinn von Spielraum, um die neue Logik auszuprobieren, sich weiter auf sie einzulassen usw. So würde die Brötchenfrage zB. durch das bedingungslose Grundeinkommen entschärft.

''(Allerdings müßte immer wieder geprüft/ diskutiert werden, was jeweils konkret passiert.. Vorsicht besonders: wenn die Leichtigkeit (das schöne geile, nuttige, schmetterlingshafte) des Geldes ersetzt werden soll durch ständiges Verhandeln, emotionale Energie, kommunikativen Aufwand usw.

Hier wird leicht Not, Zwang und Unbequemlichkeit in Menschlichkeit, Eigentlichkeit, Unmittelbarkeit umgedeutet. Welche Verbesserung der Welt sollte darin liegen, wenn man Strukturen schafft (die nicht mehr nötig wären), um damit „den inneren Schweinehund zu besiegen“ die Schönheit des Verzichts, der Dankbarkeit, Bescheidenheit, der echten Freude über kleine Geschenke usw. (wieder) zu erlernen. Dies wäre ein pädagogischer Trick in böser erzieherischer Absicht gegen sich selbst und die anderen, weil man weder sich selbst noch den anderen traut, von sich aus und selbstverantwortlich drauf zu kommen („Den Leuten geht’s zu gut!“)''

Der Weg kann nur sein, all das frei zu entdecken, mitten im Reichtum, ohne Zwang, Kontrolle, inmitten all der Möglichkeiten, Freiheiten und Herrlichkeiten, die die weltweite Arbeitsteilung der Menschen zu bieten hat...

wenn eins die Geldlogik zu überwinden ungeeignet ist- dann die Moral...

Uli

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Page last modified on 20.08.2006 10:40 Uhr