Aktuelle Änderungen - Suchen:


++Home++


















WikiHome

Macht Geld glücklich?

Geld macht nicht unbedingt glücklich, aber zu wenig/kein Geld macht wahrscheinlich unglücklich... und das ist keine Einbildung oder Charakterschwäche, sondern eine angemessene Reaktion auf die realistische Situation: Ohne Geld ist man in einer Welt, in der das Geld regiert, mehr oder weniger ausgeschlossen. Und das war und ist für Menschen als Gesellschaftswesen (immer schon) schrecklich.

Schon der Gedanke, zu wenig haben zu können, macht Stress:

(Geld-)Sorgen machen unglücklich, ständiges rechnen, Preise vergleichen, aufpassen müssen, dass man auf seine Kosten und nicht zu kurz kommt, diese ganze Hektik und Anstrengung, die durch Geld in die Welt kommt, macht nicht glücklich.

Es ist wie bei den Noten in der Schule:

Auch Noten können glücklich machen, allerdings nur die „guten“ - die schlechten machen unglücklich und unzufrieden – und das sollen sie ja auch – als Disziplinierungsmittel (der Vergleich mit „Geld“ passt noch genauer für die Oberstufe, wo es mehr oder weniger Punkte gibt).

Das Problem ist, dass es Noten überhaupt gibt, dass man sich für Noten anstrengen, verbiegen, Tricks und Täuschungen einfallen lassen muss, dass die „Notenlogik“ durch ihre bloße Existenz uns beinflußt, prägt und verändert. Unser spontanes Lerninteresse wird umgeleitet, überlagert: die primäre „intrinsische“ Motivation wird ersetzt durch einen pädagogischen Trick, ein aufgesetztes Ziel: Statt der Lerninhalte drängt sich die Benotung in den Mittelpunkt. Die Logik kehrt sich um und die Ausgangsfrage lautet: Was muß ich tun, um eine (möglichst gute) Note zu bekommen, statt: was will ich lernen, was ist wichtig für mich und andere – der Inhalt tritt zurück- wird sekundär, gleichgültig. Was „zählt“ ist die abstrakte Leistung, die Bewertung, der offizielle (in quantitativen Noten ausgedrückte) Erfolg, mein schulischer WERT: Wie stehe ich?

Nicht die Problematik schlechter Noten (bzw. einer geringen Punktzahl in der Oberstufe) kritisiere ich, sondern, dass es diese Logik überhaupt gibt, diese Noten, oder dieses Betriebssystem Geld.

Ich unterscheide also zwischen dem individuellen, privaten Aspekt (ich habe mehr oder weniger Geld- mehr oder weniger gute Noten) und der gesellschaftlichen Bedingung, unter der diese private Sicht nahe liegt oder notwendig ist. Unter der gesellschaftlichen Bedingung, dass es diese problematische Logik gibt (Geld/ Noten), ist es sicherlich schöner, Geld oder gute Noten zu haben, ist es angenehmer mehr zu haben als weniger, schöner, zu siegen als zu verlieren. Aber ich glaube, dass uns gesellschaftlich gesehen nicht nur die schlechten Noten und das fehlende Geld unglücklich machen, sondern Noten/ Geld überhaupt.

Es ist eine Struktur der Konkurrenz, des gegeneinander - nicht eine soziale, verbindende , nicht wirklich motivierende und sich gegenseitig unterstützende Logik.

Was macht dieses Betriebssystem mit uns? Es „unterstützt“/ „supportet“ nicht gerade unsere sympathischen Eigenschaften, nicht die edelsten Möglichkeiten des Menschen:

1) sie trennt uns voneinander, macht uns zu cleveren Egozentrikern, Egoisten, Konkurrenten, eher zu Gegnern als zu Partnern, unterstützt eine Anspruchshaltung, Selbstdarstellung, Selbstüberschätzung

2) sie verwandelt die bunte Welt der Vielfalt und Verschiedenartigkeit in ein rein quantitatives System, in eine eindimensionale Struktur. Sie unterstützt damit formales Leistungsdenken, abstrakten „Erfolg“, (es muß -irgend-was dabei herauskommen) die Selbstdarstellung und den Schein.

3) sie unterwirft uns einer Instanz, sie gewöhnt uns daran, uns nicht selber für zuständig zu erklären (autonom), sondern uns einem Gesetz, einer fremden, abstrakten Logik zu unterwerfen. (Wie leicht dient die Überlegung „schließlich bekomme ich Geld dafür" dazu, das eigene Handeln zu rechtfertigen")

(Wie sehr unsere Welt von der Geldlogik bestimmt wird, kann man an unserer Sprache sehen: wenn man versucht, seine Situation in der Gesellschaft zu beschreiben, gibt es fast ausschließlich Geldlogik- Ausdrücke wie zum Beispiel „auf seine Kosten kommen“, „die Bilanz stimmt nicht“, „nicht zu kurz kommen“, „es muss sich rentieren, lohnen“, „was habe ich davon?“ usw. Das zeigt schon sprachlich, wie sehr unser Denken, Handeln und Fühlen in der Geldlogik gefangen ist).

Die entscheidende Frage lautet: geht es auch ohne?

Im Falle Schule ist es nachgewiesen und ziemlich einfach: es geht schon heute ohne Noten: zB. „Nenas“ Sudbury-Schule - gerade eben gegründet: dort ist die Schule Ort des Lernens, des Austauschs von Interessen, der Zusammenarbeit usw. und keine der Konkurrenz, der Selektion, des Gegeneinander. Dort wird auch keine abstrakte Leistung verlangt, die ja die formale Grundlage der Benotung ist, sondern die Spontanität, Kreativität, die wirklichen Wünsche der Schüler stehen im Mittelpunkt.

Manche behaupten, Wettkampf, Konkurrenz sei natürlich, ein elementares menschliches Bedürfnis. Ich möchte lieber dagegen die kooperativen Wünsche, die sozialen Fähigkeiten und Sehnsüchte der Menschen betonen, nämlich, mit den anderen sich selbst zu entfalten und weiterzukommen und etwas entdecken und sich wohl zu fühlen mit den andern und ich glaube, dass die meisten Menschen auch sehr gut verstehen, was der Unterschied ist, ob man gegen oder mit den anderen sich profiliert und weiterkommt, ob man den anderen, die anderen als Bereicherung empfindet, ihre Verschiedenheit, ihre Eigenwilligkeit, ja ihre Schwierigkeit und Unfähigkeit als interessant und bereichernd erlebt. (das gilt bei der Noten- und der Geldlogik)

Warum sollen Menschen nicht gerade die produktive Unterschiedlichkeit ihrer Fähigkeiten, Kenntnisse, Gefühle, Lebensweisen "gleichwertig" in die Gesellschaft/Gruppe einbringen, warum soll ein quantitatives System des ständigen gegenseitigen Vergleichs „gelten“, warum die Verschiedenartigkeit in einem eindimensionales Koordinatensystem neutralisiert werden. (Noten)

und in der Ökonomie?

Nun, es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass die bisher herrschende Logik mehr und mehr in Schwierigkeiten gerät. Wir reden von Krise und meinen damit heute keine Missernte oder einen Mangelzustand, sondern einen Stau, also die Tatsache, dass jede Firma, jeder Laden mehr produzieren bzw. verkaufen könnte und wollte, dass aber das Geld fehlt (die Kaufkraft).

D.h. , dass das, was gesellschaftlich produziert werden könnte, (wegen des Geldes) nicht hergestellt und konsumiert werden kann- Und das nicht deshalb, weil keine Bedürfnisse mehr bestehen und die Menschen nichts mehr haben wollen (auch dieses Problem besteht sicherlich- ein gewisser Konsum- Überdruss), sondern dass die Koordination immer schlechter wird, also die Geldlogik ihre regulierende zentrale gesellschaftliche Funktion immer schlechter erfüllt.

Diese Logik hat 400 Jahre lang die Welt geradezu revolutionär verändert, völlig neu geschaffen beinahe (und selbst Marx, der große Kritiker beschreibt diesen Effekt im kommunistischen Manifest tief beeindruckt) - aber die Performance wird schlechter und schlechter, verliert zunehmend an Schwung und Überzeugungskraft. (Sie schafft nicht nur zu wenig, sondern verursacht auch falsche Entscheidungen: Wichtige Dinge bleiben ungetan, dagegen ungeheuer viel Unsinn produziert und in die Welt gesetzt.)

Heute wird diese Logik eher zu einem Unglück als zu einem Glück für unserer Gesellschaft. Die aktuellen Krisenerscheinungen sind in meinen Augen keine Zeichen einer Konjunkturkrise, sondern eines historischen Bruchs, sie könnten das Ende der seit 400 Jahren dominanten Gesellschaftsstruktur einläuten. (Wahrscheinlich verläuft dieser Niedergang nicht schlagartig wie ein Zusammenbruch, sondern wellenförmig abwärts)

Man könnte das auch so ausdrücken, dass die tragenden Säulen des Systems, nämlich die Geldlogik (Kaufkraft) und die abstrakte Arbeit (Arbeitsplätze) in die Krise geraten sind. Abstrakte Arbeit heißt, dass jeder, der am konkreten Reichtum der Gesellschaft, also dem Sozialprodukt, teilhaben möchte, dieses nur über die Form der Erwerbsarbeit erreichen kann. Für diesen Mechanismus ist es völlig gleichgültig, um welche Arbeit es sich dabei handelt, ob sie sinnvoll, nützlich oder schädlich ist. Solange Geld dafür bezahlt wird, ist sie die Eintrittskarte zu dem, was man zum Leben braucht (Und die Korruption reicht locker bis zur Beschaffungskriminalität).

Das heißt übrigens nicht, dass uns die „Arbeit“ als selbstgewählte Betätigung, Gestaltung, Auftrag usw. ausgeht, sondern lediglich, dass bezahlte „Arbeitsplätze“ immer knapper werden. Damit wird der Zugang zum gesellschaftlich erarbeiteten Reichtum immer schwieriger und - solange jeder einzelne von uns sich den Zugang durch Erwerbsarbeit unerbittlich erst verdienen muß- das Leben immer anstrengender.

Aber diese Krise ist auch eine Chance: es gibt Anzeichen nicht nur für den Niedergang, sondern auch für neue, richtig neue Entwicklungen, die aus den Schwierigkeiten des Systems entstehen, aber in meinen Augen bereits auf eine neue Logik hinweisen. (Agrar-> Industrie-> Informationsgesellschaft)

(Ein interessanter Paradigmenwechsel war z.B. der vom Fordismus/Taylorismus zum Toyotismus: Taylor hatte den arbeitenden Menschen in Richtung "Roboter", also fehlerfreie Maschine, optimieren wollen. Toyota erkannte dagegen, dass die "wahren" Fähigkeiten des Menschen gerade in seiner Kreativität, sozialen und emotionalen Kompetenz liegen, konnte so die Produktivität enorm erhöhen und schuf ganz neue Kriterien für die "Arbeitsplatzgestaltung" überhaupt)

Mein erstes Beispiel ist die freie Softwarebewegung: Hier werden tatsächlich gesellschaftlich höchst interessante und erwünschte Produkte hergestellt und ohne jeden monetären Zusammenhang in die Welt gesetzt. Es gibt kein Äquivalenz- Prinzip in der Beziehung zwischen Produzenten und Konsumenten, keine Schuld, kein Bezahlen, kein Kaufen und Verkaufen, keinen verbindlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung, keinen Tausch, keinen Markt. Es handelt sich auch nicht um Geschenke an irgend jemanden – niemand muss und kann sich mit Gegengeschenken bedanken.

(Selbstverständlich darf man den konkreten Produzenten dankbar sein und ihnen – wenn man will- eine positive/ dankbare Rückmeldung schicken).

Es muß nichts „abgegolten“ werden: Die Produzenten stellen etwas aus Interesse und Begeisterung her, was andere einfach nehmen können: sie haben ihren Spaß, ihre Freude, ihre Bestätigung bei der Produktion, deshalb müssen sie nicht „entlohnt“ werden; es gibt nichts auszugleichen, nichts zu bezahlen, nichts “gegen-“ zu leisten.

Die zweite Entwicklung, die ich durchaus für relevant halte, ist der Trend zur „flatrate“, zum freien Buffet, zu „All inklusive“, zum Netzticket usw. - also zu Pauschalangeboten.

Da spielt das Geld beim Bezahlen zwar noch eine Rolle, aber es entsteht ein zeitlich und örtlich begrenzte Raum, in dem man die zukünftige Art zu konsumieren bereits lernen und erleben kann: ich muss nicht mehr meine Bedürfnisse nach meiner Geldbörse richten, mich also nicht fremdbestimmen lassen, sondern kann tatsächlich fragen, was ich wirklich möchte, was mir (und anderen) gut tut, was nicht gut für mich ist usw.. Ich muss nicht mehr rechnen, nicht mehr aufpassen, nicht fremde Kriterien berücksichtigen, sondern kann wirklich selbst und frei entscheiden.

Ich glaube, dass es bei diesen Pauschalangeboten nicht nur darum geht, Geld zu sparen, sondern sich wirklich etwas Neues ausdrückt: eine zunehmende Abneigung der Menschen, immer weiter rechnen und haushalten zu müssen, obwohl die Gesellschaft potentiell immer reicher wird. Dieses Neue könnte aus der Abneigung wachsen, sich trotz ständiger gewaltiger Produktivitätsfortschritte und einer unüberschaubaren Warenfülle immer noch so verhalten zu müssen, als lebten wir in Zeiten bitterer Knappheit.

Es deutet einiges darauf hin, dass die Menschen umzudenken beginnen: Sie wollen den alten Fluch der Sklavenarbeit loswerden- sie wollen heraus aus dem historischen Lebenskampf um Essen und Trinken.

Die Menschheit hat (von der Geldlogik erzwungen) 400 Jahre lang größte Opfer gebracht, um die Voraussetzung für unseren heutigen (potentiellen) Reichtum zu schaffen. Nun könnten wir diesen Reichtum genießen – wir müßten ihn nur anders verwalten als mit dem Betriebssystem „Geld“; denn dieses kann nur funktionieren, solange Knappheit herrscht: Nur knappe Güter lassen sich zu Waren machen und verkaufen. Deshalb muß Knappheit immer wieder (künstlich) hergestellt werden, solange diese Logik „gilt“.

Ein Schritt in eine neue Richtung könnte z.B. die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens sein. Dieses würde zwar noch nicht die Geldlogik abschaffen, aber die 400 Jahre lang tief verinnerlichte Verbindung zwischen Arbeit und Einkommen infrage stellen; es würde zum ersten Mal in der Geschichte der Neuzeit jedem Menschen freistellen, ob (und wieviel und unter welchen Bedíngungen) er arbeiten will oder nicht. Es könnte dazu führen, dass Arbeit in Zukunft attraktiv sein müßte, um Interessenten zu finden - so attraktiv, dass sie in Zukunft nicht mehr „entlohnt“ zu werden braucht

Die Frage der Zukunft wird dann nicht mehr sein:

„Wo finde ich eine Marktlücke oder einen Arbeitsplatz, um davon leben zu können?,

sondern z.B.:

„Darf ich bei euch mitmachen?“, „Kann ich mich bei diesem Projekt selbst entfalten und meinen Lebenssinn finden ?

Ist dieses Projekt richtig für mich ?

„Arbeit“ müßte sich also in Zukunft nach dem Menschen richten und nicht mehr der Mensch nach „Arbeit“.

( „Arbeit“ würde sich in selbstbeauftragte Tätigkeiten verwandeln, die locken, die interessant und befriedigend sind, die ein spannendes Leben versprechen, die keinen Verlust an Lebenszeit und Energie bedeuten, sondern genau das Gegenteil: Entfaltung, Selbstverwirklichung, Freude, Geselligkeit, die Wichtiges und Schönes in die Welt setzen.)

Und was könnte jeder einzelne hier und heute tun ?

z.B.:

1) sich dieses gesellschaftliche Betriebssystem „Geldlogik“ in Ruhe anschauen, analysieren und es nicht bei der üblichen individualistischen/ privaten Sicht auf das Geld zu belassen.

2) schon heute auf neue gesellschaftliche Tendenzen wie Freie Software, flatrates usw. achten, sich darüber informieren, eine eigene Meinung dazu bilden, das Neue eventuell ausprobieren und die eigenen Erfahrungen auswerten.

3) in seinem eigenen Denken, Handeln und Fühlen anfangen, sich aus den unfreundlichen Zwängen der Geldlogik ein Stück weit zu befreien in Richtung auf eine Kultur der Großzügigkeit und Lebensfreude. Z.B. frustrierende Erwerbsarbeit reduzieren, kompensatorischen Konsum verringern, finanziellen Spielraum vergrößern - und überhaupt neben dem „Standbein“ des Geld- verdienens ein „Spielbein für die Zukunft“ wachsen lassen.

Zusammenfassung:

Die Geldlogik ist ein suboptimales gesellschaftiches Betriebssystem, das nicht gerade die sympathischen Qualitäten des Menschen "unterstützt"; Menschen können noch mehr und besser!

_______________________________________________________________

Uli Frank www.unverdient.de


Bearbeiten - Historie - Druckansicht - Aktuelle Änderungen - Suchen
Page last modified on 04.08.2011 22:43 Uhr